Grafik der IG BAU.
15.11.2020
Nachrichten-Überblick
Nach einem 15stündigen Verhandlungsmarathon haben sich die IG BAU und der Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks am 4. November auf einen neuen Lohntarifvertrag verständigt. Hauptstreitpunkte waren das tarifliche Weihnachtsgeld und Erhöhungen in den Lohngruppen - besonders die 12,00 Euro in der Lohngruppe 1.
"Gemeinsam haben wir gekämpft. Und unser Einsatz für mehr Wertschätzung hat sich gelohnt – ab Januar 2021 gibt es jedes Jahr deutlich mehr Lohn!" Mit diesen Worten kommentierte Ulrike Laux, IG BAU-Verhandlungsführerin und Bundesvorstandsmitglied, das am 4. November ausgehandelte Tarifergebnis.

Demnach steigen die Löhne in allen Lohngruppen zu jedem 1. Januar bis 2023. So erhöht sich die Vergütung in der Lohngruppe 1 (Mindestlohn 1) zum 1. Januar 2021 auf 11,11 Euro (+2,9%), zum 1. Januar 2022 auf 11,55 Euro (+3,9%) und zum 1. Januar 2023 auf 12 Euro (+3,9%). Nach Angaben der Gewerkschaft arbeiten drei Viertel aller Beschäftigten zum Branchenmindestlohn. Für sie bedeute die Einigung ein "kräftiges Plus" und einen "großen Schritt heraus aus dem Niedriglohnsektor", so Laux.

In der Lohngruppe 6 (Mindestlohn 2) steigt das Entgelt zunächst auf 14,45 Euro (+2,5%), 2022 dann auf 14,81 Euro (+2,5%) und 2023 auf 15,20 Euro (+2,6%). Außerdem wurde ein eigenständiger Tarifvertrag über einen "Weihnachtsbonus" abgeschlossen: Bis Weihnachten 2023 haben die Beschäftigten am 24.12. und 31.12. entweder bezahlt frei, oder sie erhalten an diesen Tagen einen Zuschlag von 150 Prozent. Die Verhandlungen über ein tarifliches Weihnachtsgeld scheiterten hingegen am Widerstand der Arbeitgeber.

Hauptstreitpunkt in den Tarifverhandlungen war die unterschiedliche Bewertung der Folgen der Corona-Krise für die Branche. Nach Informationen der IG BAU hat sich die Arbeitsbelastung von Reinigungskräften im Zuge der Pandemie erhöht. In vielen Firmen sei die Arbeitszeit heraufgesetzt worden, um zusätzliche Aufgaben wie die Desinfektionsreinigung zu bewältigen. Kurzarbeit spiele nur vereinzelt, etwa in der Flughafenreinigung, eine Rolle.

"Bei jetzt wieder rasant steigenden Infektionszahlen setzen sich Reinigungskräfte einer erhöhten Ansteckungsgefahr aus. Für ihre meist unsichtbare Arbeit erfahren sie nun endlich mehr Wertschätzung", unterstreicht Laux. Die Arbeitgeber*innen argumentierten mit der unsicheren wirtschaftlichen Lage der Branche. Nach Einschätzung der IG BAU dürften sich die Umsätze in diesem Jahr trotz Corona auf dem hohen Niveau der Vorjahre bewegen.

Enttäuscht zeigte sich die Gewerkschaft über die fehlende Verhandlungsbereitschaft beim Thema Weihnachtsgeld. "Reinigungskräfte verstehen nicht, warum sie leer ausgehen sollen, während die Sonderzahlung am Jahresende in den meisten Branchen selbstverständlich ist", sagt Laux. Immerhin werde eine Vereinbarung aus dem Rahmentarifvertrag fortgesetzt, nach der Gewerkschaftsmitglieder in Innungsbetrieben in den kommenden drei Jahren einen Weihnachtsbonus erhalten.

Die Gebäudereinigung gilt als eine der größten Handwerkssparten in Deutschland. Im vergangenen Jahr setzte die Branche 19,6 Milliarden Euro um. Die tariflichen Mindestlöhne – die unterste Lohngruppe sowie die Glas- und Fassadenreinigung – werden in der Regel vom Bundesarbeitsministerium für allgemeinverbindlich erklärt. Damit haben alle Beschäftigten in Reinigungsfirmen Anspruch auf die Lohnuntergrenzen.

IG BAU/Olaf Harning