Auftrag Zukunft
Zunächst aber lehnten die Delegierten nach längerer Debatte die Einführung einer Doppelspitze ab - am Ende mit deutlicher Mehrheit. Anträge dafür waren von der Bundesfrauenkonferenz und den Bezirksverbänden Stuttgart und Südbaden eingebracht worden.
Im Anschluss an die Personalentscheidungen befasste sich der Kongress dann intensiv mit der Einbindung der LSBTIQ-Community bzw. der IGay BAU in die Organisationsstrukturen. Künftig wird die Möglichkeit, auf Bundes- und Bezirksebene "queere" Personengruppen zu bilden, in der Satzung ausdrücklich genannt. Und auch Studierende können sich jetzt satzungskonform organisieren. Zwar hatten sich die Antragsteller:innen der JungenBAU und verschiedener Bezirksverbände deutlich mehr versprochen - zum Beispiel auch Antragsrecht und Delegiertenmandate. So weit aber wollte ihnen der Gewerkschaftstag nicht folgen und lehnte mit knapper Mehrheit von 140 zu 117 Stimmen ab. Dennoch: Die IG BAU wird nach diesem Gewerkschaftstag deutlich vielfältiger!
Indiz dafür war auch die mit viel Beifall bedachte Rede der JungenBAU am zweiten Kongresstag, in der Cirka, ein Sprecher der Jugend, für eine "kämpferische, aufgeweckte Gewerkschaft" warb - und natürlich für die Förderung und stärkere Einbindung junger Gewerkschafter:innen.
Mehrheitlich zurückgewiesen wurde der (erneute) Versuch der IG BAU-Senior*innen, eigene Delegierte und das Antragsrecht für Bezirksverbandstage und den Gewerkschaftstag in die Satzung aufzunehmen. Auch ohne diese zusätzlichen Delegierten waren die Senior*innen aber zahlreich unter den Delegierten vertreten.
Emotional wurde es schon zu Beginn des Gewerkschafts- tages, als die Initiative 19. Februar Hanau mit dem "Georg-Leber-Preis" ausge- zeichnet wurde. Sie kämpft für die Aufarbeitung eines rechtsextremistischen Anschlags am 19. Februar 2020 in Hanau, dem neun Menschen zum Opfer fielen.
Für minutenlange Ovationen sorgte der Auftritt von Vasyl Andreyev, Vorsitzender der Gewerkschaft der Bau- und Baustoffarbeiter der Ukraine (PROFBUD) vor dem Kongress.
Die Delegierten der Region Nord mit Regionalleiter André Grundmann. 24 Mitglieder aus den Bezirksverbänden Schleswig-Holstein-Nord, Holstein, Hamburg, Mecklenburg und Ostmecklenburg-Vorommern vertraten die Region in Kassel.
Aktivster Delegierter aus Hamburg war der ehemalige Bezirksvorsitzende Matthias Maurer, der unter anderem den Antrag des Gewerk- schaftsbeirats zu den künftigen Arbeitsschwer- punkten der IG BAU begründete. Für ihn war es der letzte Gewerkschaftstag.
Politisch wurde unter anderem über die Haltung der IG BAU zur Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) und zum Überfall Russlands auf die Ukraine gerungen.
Dabei lehnte die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt das BGE erwartungsgemäß mit deutlicher Mehrheit ab - gut zwei Drittel der Delegierten stimmten gegen eine Unterstützung derartiger Modelle. Mehrere Redner:innen brachten ihre Kritik auf den Punkt, indem sie die Schwächung von Gewerkschaften und Belegschaften als unmittelbare Folge eines Grundeinkommens voraussagten. Bereits 2019 hatte eine Veranstaltung der IG BAU Nord in Lübeck ähnliche Stimmungsbilder ergeben.
Stehende Ovationen erhielt Vasyl Andreyev, Vorsitzender der ukrainischen Baugewerkschaft PROFBUD, vom Kongress. Etwas weniger einhellig war die Zustimmung zu einer Entschließung, die eine sehr weitreichende Solidarisierung mit der Ukraine beinhaltete - etwa zwei Drittel der Delegierten folgten dem Text, der letztlich auch eine militärische Unterstützung einschloss.
Erwartet große Mehrheiten erhielten Leitanträge des Gewerkschaftsbeirats zum Klimaschutz und zur sozialpolitischen Ausrichtung der IG BAU - letzteren begründete Hamburgs langjähriger IG BAU-Vorsitzender Matthias Maurer, der den Antrag mit ausgearbeitet hatte. Wie auch bei anderen Themen fiel eine intensive Diskussion hier den vielen Verzögerungen zum Opfer.
Mehrere Dutzend Anträge konnten indes gar nicht erst beraten werden - und wurden auf einen Außerordentlichen Gewerkschaftstag vertagt, der nach jetziger Planung 2024 stattfinden soll.
Olaf Harning