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- Drohen mit Arbeitsunfähigkeit - keine gute Idee!
Drohen mit Arbeitsunfähigkeit - keine gute Idee!
Der Arbeitgeber muss also quasi das Gehalt weiterzahlen, obwohl keine Arbeitsleistung durch den Arbeitnehmer erfolgt - was ihm natürlich tendenziell eher nicht gefällt. Gleichwohl sollte man es als Arbeitnehmer unterlassen, eine Krankheit anzukündigen bzw. mit einer Krankheit zu drohen. Dies zeigt eine aktuelle Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern (Urteil vom 04.05.2021 - 5 Sa 319/20).
In dem konkreten Fall war die Klägerin seit elf Jahren bei ihrer Arbeitgeberin beschäftigt - als Verkäuferin in einer von mehreren Bäckereien. Zuletzt kam es dort zu Spannungen im Arbeitsverhältnis, insbesondere mit der Filialleitung. Die Klägerin bat diese, sie im Monat Juli nur in der Frühschicht einzuteilen. Tatsächlich wurde die Klägerin dann aber in zwei Wochen des Monats auch in der Spätschicht eingeteilt. Als die Klägerin davon erfuhr, schrieb sie ihrer Filialleiterin bei WhatsApp, dass sie in der einen Woche definitiv keine Spätschicht mache, notfalls sei sie halt krankgeschrieben. Später kündigte die Klägerin dann gegenüber einer Filialbetreuerin, nachdem Änderungen am Dienstplan nicht erfolgten, auch mündlich an, in der besagten Woche krankgeschrieben zu sein.
Dieser Text wurde uns freundlicherweise von Rechtsanwalt Christopher Kaempf von der Kanzlei Müller-Knapp, Hjort, Wulff zur Verfügung gestellt.
Die Klägerin wurde dann bereits Ende Juni tatsächlich krankgeschrieben und überreichte eine Krankschreibung zusammen mit ihrer Eigenkündigung, die einen Monat später wirksam werden sollte. Drei Stunden später erhielt die Klägerin von ihrer Arbeitgeberin die fristlose Kündigung, gegen die sie klagte.
Das LAG Mecklenburg-Vorpommern hat darauf hingewiesen, dass wenn eine Arbeitnehmerin versucht, einen ihr nicht zustehenden Vorteil durch unzulässige Drohung - hier Ankündigung einer Krankschreibung bei nicht bestehender Arbeitsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Ankündigung - durchzusetzen, dies einen schweren Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflichten darstellt. Immerhin bringe eine Arbeitnehmerin hierdurch zum Ausdruck, die Rechte aus dem Entgeltfortzahlungsgesetz missbrauchen zu wollen, um sich einen unberechtigten Vorteil zu verschaffen. Dadurch werde das Vertrauen in die Redlichkeit der Arbeitnehmerin in schwerwiegender Weise beeinträchtigt. Dies rechtfertige grundsätzlich eine fristlose Kündigung.
Bei der Interessenabwägung berücksichtigte das Gericht aber, dass das Verhältnis schon vorher angespannt war, das Arbeitsverhältnis mehr als 10 Jahre überwiegend beanstandungslos bestand und zeitnah durch die Eigenkündigung geendet hätte, so dass eine Wiederholungsgefahr kaum drohte. Das Gericht kam somit zur Unverhältnismäßigkeit und Unwirksamkeit der Kündigung.
"Glück gehabt" also für die Klägerin. Aber kein Freifahrtschein: denn dass die Kündigung hier unwirksam war, lag an den besonderen Details des Einzelfalls, insbesondere an der ohnehin erfolgten zeitnahen Beendigung aufgrund der Eigenkündigung. Von der Androhung einer Erkrankung gegenüber dem Arbeitgeber kann nur dringend abgeraten werden.