Gregor Gysi mit dem Hamburger IG BAU-Vorsitzenden Matthias Maurer. Am Rande des Neujahrsempfangs suchte der LINKEN-Politiker das Gespräch mit Gewerkschaftsmitgliedern (Foto: IG BAU).
29.01.2015
Archivmeldungen 2015
Er kam, sah - und überzeugte: Niemand geringeren, als den Oppositionsführer im Deutschen Bundestag - LINKEN-Politiker Gregor Gysi - hatte sich die IG BAU Hamburg zu ihrem traditionellen Neujahrsempfang eingeladen. Und der sorgte insbesondere bei den Themen Verteilungsgerechtigkeit und prekäre Beschäftigung für jede Menge (Zu-)Stimmung.
Vor den Türen des Bürgerhauses Wilhelsmburg verteilten Wahlkämpfer von SPD und DIE LINKE noch eifrig Flugblätter, als der Wagen mit Gregor Gysi vorfuhr. Schon die Ankunft des Fraktionschefs der LINKEN im Bundestag sorgte beim Neujahrsempfang der IG BAU Hamburg für Aufsehen. Und als Gysi schließlich zum Rednerpult schritt, war ihm die Aufmerksamkeit der fast 150 Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter gewiss. Im Verlauf der folgenden Dreiviertelstunde sprach Gysi seinen Zuhörern bei vielen Themen aus der Seele, wurde mehrfach von Beifall unterbrochen und erntete auch am Ende seiner Rede Applaus.

Zunächst aber wandte sich Matthias Maurer an die KollegInnen. Der Vorsitzende der IG BAU Hamburg erinnerte an die schrecklichen Bilder aus Paris, wo islamistische Terroristen am 7. und 8. Januar bei einem Überfall auf die Redaktion der Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" und einen jüdischen Supermarkt insgesamt 17 Menschen ermordeten. Es mache ihm Mut, so Maurer, dass nur wenige Tage später 3,7 Millionen Menschen in Paris für die Werte der französischen Revolution - Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit - auf die Straße gegangen seien, darunter auch die meisten islamischen Gemeinden. Er sei aber auch "ziemlich wütend" auf jene, die derzeit in Deutschland versuchten, "die Situation auszunutzen und mit rassistischen Parolen Angst zu schüren." Auch die IG BAU müsse sich mit der Frage beschäftigen, "wie eine gemeinsame, solidarische und freiheitliche Gesellschaft immer wieder neu gestaltet werden kann."
 
Gregor Gysi bei seiner Ankunft, links neben ihm Hamburgs IG BAU-Vorsitzender Matthias Maurer

Er kam, sah - und überzeugte. Schon bei seiner Ankunft sorgte Gregor Gysi im Bürgerhaus für Aufsehen (Foto: IG BAU).

Dem stimmte zwar auch Gysi zu, warnte aber vor pauschalen Urteilen über die nationalistische Pegida-Bewegung. Während es "überhaupt keine Zweck" habe, mit deren Führung zu reden, entdecke man bei einem Großteil der Mitläufer "abstrakte Ängste", denen vor allem die Politik lange nichts entgegengesetzt habe und die man ernst nehmen müsse.

Den Schwerpunkt seiner Rede legte der LINKEN-Politiker aber auf soziale Verwerfungen im In- und Ausland. So kritisierte er ungleiche Löhne in Ost- und Westdeutschland noch im 25. Jahr der Deutschen Einheit ...
Matthias Maurer am Rednerpult

Hamburgs IG BAU-Vorsitzender Matthias Maurer erinnerte zunächst an die Attentate von Paris und kritisierte die Pegida-Bewegung (Foto: IG BAU).

Redner Matthias Maurer, zahlreiche Teilnehmer an den Tischen

Auch die IG BAU müsse "immer wieder an einer solidarischen, freiheitlichen Gesellschaft arbeiten" (Foto: IG BAU).

Gregor Gysi am Rednerpult

Gregor Gysi rief den 150 Gewerkschaftern im Bürgerhaus zu: "Eure Stärke ist Organisation!" (Foto: IG BAU).

 
... forderte das Verbot der Leiharbeit oder wahlweise den 110-Prozent-Lohn für Leiharbeiter, um ihre Ausbeutung zu verhindern - und prangerte den ungleich und immer ungleicher verteilten Reichtum an: So besitze nach aktuellen Zahlen das reichste Prozent der Weltbevölkerung genau so viel, wie die restlichen 99 Prozent. Ein Grund dafür: Während die Weltwirtschaft ganz hervorragend organisiert sei, hinke die Weltpolitik dem weit hinterher.

Auch in Deutschland habe das Vermögen der ärmeren Hälfte der Bevölkerung seit 1998 noch einmal abgenommen - von vier auf nur noch ein Prozent. Der bundesweite, gesetzliche Mindestlohn, so Gysi weiter, ändere daran nicht das geringste: "Wenn Du Dein Leben lang 8,50 Euro verdienst, kriegste am Ende noch nicht einmal die Grundsicherungsrente", rief er den IG BAU-Mitgliedern zu, "da wären die 10 Euro, die wir als LINKE gefordert haben, schon sinnvoller und auch die müssten dann jedes Jahr angepasst werden."
 
Gregor Gysi mit Geschenk, im Hintergrund Matthias Maurer

Nach einer Dreiviertelstunde Polit-Unterhaltung gab´s erst Geschenke ... (Foto: IG BAU).

Gregor Gysi, eingerahmt von Frank Schlanske und dem ehemaligen Bezirksvorsitzenden Rainer Prestin

... ein paar Erinnerungsfotos - hier mit Frank Schlanske (links) und dem früheren IG BAU-Bezirksvorsitzenden Rainer Prestin ... (Foto: IG BAU)

Stehtisch mit vier Personen

... und jede Menge Gesprächsstoff an den Tischen (Foto: IG BAU).

 
Harry Gosch am Rednerpult

Harry Gosch von der jungenBAU Hamburg warb für eine Demo zur Unterstützung der "Lampedusa-Flüchtlinge" in Hamburg - Beginn: 31.1., 13 Uhr an den Landungsbrücken (Foto: IG BAU).

Wozu es dabei Gewerkschaften braucht, das machte Gysi ausgerechnet am Beispiel von 300 Bäckermeistern klar. Auf deren Tagung war er im vergangenen Jahr gefragt worden, wie sie denn wohl ihre Forderungen möglichst effektiv vermitteln könnten - zum Beispiel an die Politik. "Da habe ich sie gefragt", so Gysi: "Könnt Ihr das, was Gewerkschaften können? Könnt Ihr dafür sorgen, dass im Oktober bundesweit alle Bäckereien für drei Tage schließen?" Damit hätten die Bäcker genug Aufmerksamkeit erzielen können, um ihre Forderungen sogar Angela Merkel persönlich zu unterbreiten. "Da haben die mich angeguckt und gesagt: Das kriegen wir nicht hin."
"Eure Stärke", rief Gysi deshalb abschließend in den Saal, "ist Organisation. Und darum müssen wir den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wieder klar machen, dass man sich gewerkschaftlich organisieren muss. Sonst ist man schwach!" Applaus und Ende.

Olaf Harning