Der frisch gewählte Bezirksvorstand plus Klaus (Foto: IG BAU)
06.03.2013
Archivmeldungen 2013
"Großes Gewerkschaftskino" im Bürgerhaus Wilhelmsburg: Mehr als sieben Stunden berieten die rund 60 Delegierten aus den Orts-, Fach- und Personengruppen der IG BAU Hamburg, dann hatten sie einen neuen Bezirksvorstand gewählt und sich über die wichtigsten Themen ausgetauscht. Höhepunkte des Tages waren die Rede des Bundesvorsitzenden Klaus Wiesehügel und ein Appell von Harry Gosch, Vorsitzender der jungen IG BAU in der Hansestadt.
Schon gleich zu Beginn des Verbandstages wurde es politisch, als der später mit großer Mehrheit wiedergewählte Bezirksvorsitzende Matthias Maurer nach einer Gedenkminute die ersten Inhalte vorgab: Eine Wahlempfehlung wollte der Zimmerermeister und Hochtief-Betriebsrat in Hinblick auf die nahende Bundestagswahl zwar nicht abgeben, sämtliche Parteien - so Maurer - sollten aber an ihren sozial- und arbeitsmarktpolitischen Positionen gemessen werden. Dabei verwies er unter anderem auf die aktuelle Kampagne der IG BAU zur drohenden Altersarmut: "Rente muss zum Leben reichen!", rief er den Delegierten und Gästen zu und sprach sich einmal mehr für die Abschaffung der Rente mit 67 aus. Apropos Gäste: Die waren auch diesmal wieder zahlreich erschienen, unter anderem war der langjährige Hamburger Bezirksgeschäftsführer Gerd Hertel (1971-1991) ins Bürgerhaus gekommen und auch die ehemaligen Sekretäre Werner Weinrich, Paul Tüger, Günther Knaack und Siegfried Kühnel verfolgten das Geschehen.
 
Die Riege der "Ehemaligen" - frühere haupt- und ehrenamtliche Funktionäre auf dem Bezirksverbandstag.

Die "Riege der Ehemaligen" (v.l.): Paul Tüger, Gerd Hertel, Günther Knaack, Werner Weinrich, Siegfried Kühnel, Rainer Prestin und Peter Hamm (Foto: IG BAU)

Matthias Maurer

Matthias Maurer forderte die Delegierten auf, der Politik auf den Zahn zu fühlen (Foto: IG BAU)

DGB-Nord-Chef Uwe Polkaehn und der schleswig-holsteinische Landtagsabgeordnete Olaf Schulze (SPD)

Uwe Polkaehn (DGB Nord) und der schleswig-holsteinische Landtagsabgeordnete Olaf Schulze (SPD, freigestellter BAU-Sekretär) (Foto: IG BAU)

 
Die ersten Lacher hatte aber Uwe Polkaehn auf seiner Seite: Weil Maurer mit Blick auf den verspätet eintreffenden Klaus Wiesehügel gescherzt hatte, dass "große Vorsitzende später kommen", fragte der Chef des DGB Nord zu Beginn seiner Rede: "Große Vorsitzende kommen später - ich bin pünktlich. Sollte mir das zu denken geben?" Anschließend aber wurde Polkaehn bitterernst, sah die Arbeitnehmerschaft mit Blick auf aktuelle Betriebsschließungen in "bewegten Zeiten" und forderte tarifpolitisch "einen kräftigen Schluck aus der Pulle". Während der DGB-Vorsitzende in Sachen Mindestlohn optimistisch in die Zukunft blickt - immerhin stehen laut Umfragen gut 80% der Menschen in Deutschland hinter den Forderungen der Gewerkschaft - sieht Polkaehn bei Fortführung der aktuellen Rentenpolitik eine dramatische Entwicklung voraus: So würde ein Arbeitnehmer nach 45 Jahren Minijob einen Rentenanspruch von genau 135,95 Euro erwerben und selbst mittlere Einkommen könnten bei der jeztigen Rentenformel keine auskömmliche Rente erzielen. Abschließend forderte der DGB-Chef Solidarität mit den Neupack-Beschäftigten (hier das 42. Streik-Info), ein Thema das noch mehrfach während des Verbandstages aufgegriffen wurde: "Dort wird Mitbestimmung mit Füßen getreten", zürnte Polkaehn unter donnerndem Applaus.
 
Matthias Maurer in der Bütt

Matthias Maurer in der Bütt (Foto: IG BAU)

Lebhaft diskutiert wurde nach dem Geschäftsbericht, den Matthias Maurer für den Bezirksvorstand vorstellte. Die erste ehrenamtlich geführte Amtszeit der IG BAU Hamburg hat nach seiner Darstellung vor allem eine Stärkung der Branchenarbeit gebracht, die im Budget mittlerweile einen der stärksten Posten ausmacht. Außerdem konnten im Berichtszeitraum über die Rechtsabteilung kaum fassbare 3,8 Millionen Euro für die Mitglieder erstritten werden. Neben dem "Herzstück Mitmachkonferenz" hob Maurer die 100-Jahr-Feier für das Bundeshaus hervor, bei der man sich Anfang 2011 mit zahlreichen Gästen auf die Geschichte der (Bau-)Gewerkschaftsbewegung besonnen hat. Wenig erfreulich hingegen die Mitgliederentwicklung, die auch zwischen 2009 und 2013 mit negativem Vorzeichen abschloss und einen Rückgang auf nun 8.039 Mitglieder brachte. Dabei konnten allerdings verstärkt junge Mitglieder neu für die IG BAU gewonnen werden.
In der anschließenden Aussprache warben dann auch gleich mehrere Delegierte um Optimismus. Während Klaus Bernard (Vorsitzender in Hamburgs Nordwesten) die Stärkung der Fachgruppen anmahnte, forderten Hamburgs langjähriger Vorsitzender Klaus Knickmeier und Harry Gosch (Vorsitzender junge IG BAU Hamburg) zum Anpacken auf: "Wenn Ihr Solidarität wollt, fragt die Jugend!" rief Gosch vom Rednerpult herunter. Die Mitglieder seien nicht am Leistungskatalog der IG BAU interessiert, sondern an "unseren Themen". Und um die zu vermitteln würden weniger Infostände gebraucht, sondern vielmehr Aktionen oder Formen des Straßentheaters. In jedem Fall aber, so Gosch unter großem Applaus, müsse die Devise lauten: "Nicht Jammern - Machen!".
 
Blick vom Podium auf die Delegierten

Trotz frühzeitiger Einladung und "Nachfassen": Wieder blieben neun Delegierte der Versammlung unentschuldigt fern. Blick vom Podium auf die Delegierten (Foto: IG BAU)

Werner Koch (Betriebsgruppe PREUSSE) kritisiert die Betriebsräte-Politik des Bundesvorstands

Werner Koch (Betriebsgruppe PREUSSE) kritisiert die Betriebsrätepolitik des Bundesvorstands (Foto: IG BAU)

Harry Gosch: "Nicht Jammern - Machen!"

Harry Gosch (junge IG BAU Hamburg): "Nicht Jammern - Machen!" (Foto: IG BAU)

 
Klaus Knickmeier am Rednerpult

Klaus Knickmeier: "Wir brauchen keine Arbeitskreise, wir müssen aktiv anpacken!" (Foto: IG BAU)

Werner Stapelfeldt

Werner Stapelfeldt kritisierte erneut die "Grundstein-Beilage" und forderte persönliche Sitzungs-Einladungen (Foto: IG BAU)

Klaus Bernard

Klaus Bernard: Regte zur Stärkung der Fachgruppen eine Arbeitsgruppe mit haupt- und ehrenamtlicher Beteiligung an (Foto: IG BAU)

 
Nach einer kurzen Ansprache von Regionalleiter André Grundmann zum "Festtag des Ehrenamtes", dann die mit Spannung erwartete Rede von Klaus Wiesehügel: In einem emotionalen Rundumschlag führte er die Delegierten zunächst in die Untiefen der begonnenen Tarifauseinandersetzungen und warb dabei insbesondere für die Sicherung der Zusatzversorgungskasse (ZVK) und eine lange überfällige Ost-West-Angleichung. Der Forderung der Bau-Arbeitgeber, die Zusatzrenten durch Wegfall des zusätzlichen Urlaubsgeldes zu kompensieren, erteilte er dabei eine Abfuhr: "Die ha´m doch wohl ´ne Meise: Weil die Ost-Arbeitgeber es über Jahrzehnte versäumt haben, über eine Finanzierung nachzudenken, sollen das jetzt die Arbeitnehmer im Westen mit ihrem Urlaubsgeld ausgleichen!"
Mit Wut in der Stimme beschrieb Wiesehügel etwas, was er die "Prekarisierung der Gesellschaft" nannte. "Nur noch 22 Millionen Menschen haben heute in unserem Land so etwas, wie einen Arbeitsplatz". Die übrigen lohnabhängig Beschäftigten müssten sich im Niedriglohnsektor oder mit Befristungen herumschlagen. Diese Entwicklung, so Wiesehügel weiter, treffe die IG BAU besonders hart: "Wir sind überwiegend eine Gewerkschaft der kleinen Leute, unsere Mitglieder leben von ihrer Hände Arbeit." Das treffe im übrigen nicht nur auf den Bau, sondern auch auf den grünen Bereich und die Gebäudereinigung zu. Hier wolle man endlich die "Vision" von 10 Euro Stundenlohn realisieren. Der Gewerkschaftschef: "Das muss nun langsam mal erreicht werden." Abschließend warnte Wiesehügel davor, den Arbeitgebern allzuviel Moral zuzutrauen: "Wenn es keine funktionierenden Gewerkschaften mehr gibt", so der Bundesvorsitzende, "wird das hier so wie in Bangladesh! Dann gehen die Türen zu, wenn Feuer kommt, damit auch die letzten Minuten noch gearbeitet wird."
Klaus Wiesehügel spricht zu den Delegierten, Bezirksverbandstag Hamburg

Klaus Wiesehügel spricht zu den Delegierten des Hamburger Bezirksverbandstags (Foto: IG BAU)

 
Keine Überraschungen brachten dann die Wahlgänge zur Bestimmung des neuen Bezirksvorstands, der Delegierten zum Gewerkschaftstag und der Kontrollgremien der Hamburger IG BAU. Mit hervorragenden 43 von 46 Stimmen (93,5%) wurde Matthias Maurer als Bezirksvorsitzender bestätigt. Und auch die übrigen Mitglieder des Bezirksvorstands bekamen schon im ersten Wahlgang das nötige Votum der Delegierten - allen voran Maurers Stellvertreter Arne Neubauer (89,1%) und Beisitzerin Rita Umweni-Häckel (87,0%). Hier die Wahlergebnisse im Einzelnen.

Olaf Harning
 
Sitzungsleiter Arne Neubauer

Arne Neubauer präsentierte sich als humorvoller Sitzungsleiter (Foto: IG BAU)

Zählkommission

Die Auszählung verlief reibungslos - dank der WahlhelferInnen der jungen IG BAU (Foto: IG BAU)

Matthias Maurer

Hatte am Ende gut Lachen: Matthias Maurer geht gestärkt in seine zweite Amtszeit (Foto: IG BAU)