Stop Union Busting
Auch Thomas Günther, Betriebsrat des Hamburger Tierparks Hagenbeck, wehrt sich gegen Union Busting (Bild: IG BAU).
22.10.2024
Nachrichten

In Betrieben mit mindestens fünf Beschäftigten werden Betriebsräte gewählt. So steht es in Paragraf 1 des Betriebsverfassungsgesetzes. Eigentlich ganz einfach, oder? Falsch gedacht. Noch immer gibt es Betriebe, die alles daransetzen, Betriebsräte zu verhindern beziehungsweise deren Arbeit zu sabotieren. Union Busting* /Betriebsrats Busting ist weitverbreitet.

 

 

* Union Busting kommt aus dem Englischen und beschreibt das Vorgehen gegen Gewerkschaften und Mitbestimmung am Arbeitsplatz.

Eine neue Befragung des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung liefert Hinweise darauf, dass Unternehmen mehr als jede fünfte Neugründung von Betriebsräten behindern, obwohl das ein Straftatbestand ist. Sie schüchtern Kandidat*innen ein, drohen mit Kündigung oder verhindern die Bestellung eines Wahlvorstands.

Eine, die das erlebt hat, ist M. (möchte anonym bleiben, Name ist der Redaktion bekannt), Reinigungskraft aus dem Rhein-Main-Gebiet. Vor einigen Jahren hat sie als Vorarbeiterin bei Sasse am Frankfurter Flughafen angefangen. Schnell wurde ihr klar: Hier liegt so einiges im Argen. „Stress, Druck auf Beschäftigte, Arbeitsverdichtung“, M. zählt eine lange Liste auf. „Die jammern ständig rum, dass sie keine Leute bekommen. Und auf der anderen Seite behandeln sie diese schlecht.“ Um sich zu wehren, beschloss sie mit einigen Mitstreiter*innen, einen Betriebsrat zu wählen.

Ihr Chef sah sie als „Rädelsführerin“ und damit fing der Ärger an: Schikane, anderer Arbeitsort, Bespitzelung. „Ich habe nur durchgehalten, weil wir alle zusammengehalten haben.“ Und weil die IG BAU, besonders Gewerkschaftssekretärin Daniela Stegmüller, immer mit Rat und Tat zur Seite stand. „Gewerkschaft ist wichtig, man braucht sie als Unterstützung“. Rund 80 ihrer Kolleg*innen hat sie überzeugt, in die IG BAU einzutreten. Dem Chef war das natürlich ein Dorn im Auge.

Im Frühjahr 2023 fand schließlich die Betriebsratswahl statt. Aber die Schikanen von oben nahmen kein Ende. Im Gegenteil – und leider mit Erfolg: Betriebsratskolleg*innen stellten sich gegen M. (und bekamen ab dann einen höheren Lohn). „Die haben sich kaufen lassen. Ich war wütend, enttäuscht, gesundheitlich angeschlagen.“ Mit den Nerven am Ende stimmte sie schließlich einem Aufhebungsvertrag zu. „Im Juni war mein letzter Arbeitstag. Mir geht es immer noch schlecht. Ich muss das Ganze erst einmal in Ruhe verarbeiten. Ich wollte doch nur, dass wir bekommen, was uns zusteht.“

Trotz dieser schlechten Erfahrungen ist die alleinerziehende Mutter nach wie vor davon überzeugt, dass Mitbestimmung im Betrieb wichtig ist und dem Unternehmen nicht schadet. Stimmt, Studien zeigen: Mitbestimmte Betriebe bieten bessere Arbeitsbedingungen, sind im Mittel produktiver und oft innovativer als Firmen ohne betriebliche Mitbestimmung.

Bild: IG BAU
Bild: IG BAU

„Ist ein Betriebsrat erst einmal etabliert, arrangieren sich die meisten Unternehmen bald mit dessen Existenz und sehen eher selten Gründe, seine Arbeit prinzipiell  in Frage zu stellen“, heißt es in oben genannter WSI-Studie. Eine Aussage über die Thomas Günther, Betriebsratsvorsitzender bei Hagenbeck in Hamburg, nur schmunzeln kann.

Seit den 1950er-Jahren gibt es einen Betriebsrat, doch was sich nun dort abspielt, ist schwer zu glauben. Seit vier Jahren schwelt die Auseinandersetzung über einen Haustarifvertrag zwischen der Tierpark-Geschäftsführung und der Belegschaft. Bis heute existiert kein Tarifvertrag: So gibt es kein eindeutiges Entlohnungssystem sowie kein verlässliches Weihnachts- und Urlaubsgeld. Sogar die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wurde teilweise nicht gewährt. Neben tarifvertraglichen Regelungen fordern Gewerkschaft und Betriebsrat, dass endlich ein Konzept für den beliebten Zoo aufgestellt wird.

Dafür streitet der Betriebsrat, allen voran Thomas Günther. Immer wieder auch vor Gericht, der Arbeitgeber will es nicht anders. „Das geht ganz schön an die Kraft“, gesteht Thomas. Gerade erst hat er sich zum wiederholten Male erfolgreich gegen seine Kündigung gewehrt.

Kündigen ist eine beliebte Strategie der Union Buster, um unliebsame Betriebsräte oder Betriebsratskandidat*innen loszuwerden. Häufig werden auch fristlose Kündigungen ausgesprochen – in vollem Bewusstsein, dass diese vor dem Arbeitsgericht nicht haltbar sind. „Als die erste Kündigung kam, hat mich das ganz schön aus der Bahn geworfen. Ich war tief getroffen. Mein ganzes Berufsleben bin ich schon bei Hagenbeck als Tierpfleger und arbeite gerne dort. Aber meine Betriebsratskolleginnen und -kollegen und ich sind nicht mehr bereit, alles hinzunehmen.

Die Belegschaft haben sie an ihrer Seite. „Der Zusammenhalt und die Solidarität sind enorm. Wir kämpfen für die Beschäftigten,  nicht gegen die Geschäftsführung.“ Dieser Punkt ist Thomas sehr wichtig.

Dieser Artikel ist zunächst in der Mitgliederzeitschrift der IG BAU, "Der Grundstein/der Säemann" erschienen. Wir bedanken uns für die freundliche Erlaubnis zur Nachveröffentlichung.

Im Laufe der Auseinandersetzungen ist er immer mehr zum Fachmann in Betriebsratsangelegenheiten geworden. „Wir müssen auf der Hut sein und dürfen uns keine Fehler erlauben. Sonst sind wir raus.“ Auf der anderen Seite verbreite der Geschäftsführer weiterhin Unwahrheiten, versuche die Beschäftigten mürbe zu machen und gegeneinander auszuspielen. Thomas und seine Mitstreiter*innen fühlen sich von der Justiz und der Politik oft allein gelassen. „Es passiert viel zu wenig, um diesen rechtswidrigen Schikanen Einhalt zu gebieten.“

Eigentlich hatte die Ampel-Regierung im Koalitionsvertrag vereinbart, die Behinderung der Bildung und Arbeit eines Betriebsrates als „Offizialdelikt“ einzustufen, also als eine Straftat, die auch ohne Anzeige verfolgt wird. Umgesetzt ist das bis dato nicht.

Dass er die IG BAU an seiner Seite hat, beruhigt und stärkt den Betriebsrat. „Besonders Dirk Johne und Anna Seiwert-Skurewicz haben uns gerade zu Beginn des Konflikts rund um die Uhr mit Rat und Tat zur Seite gestanden.“ Die Zusammenarbeit ist nach wie vor eng und auf Augenhöhe, das gibt Kraft für die Zukunft, denn Aufgeben ist keine Option. „Früher habe ich gedacht: Für was braucht man eigentlich Gewerkschaften?“ Eine Aussage für die sich Thomas heute schämt. „Das war richtig dumm von mir.“

Christiane Nölle