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"Als ob es sie gar nicht gibt"
12.05.2012
Archivmeldungen 2012
Gegenüber www.igbau-hamburg.de spricht sie über Arbeitsbedingungen in 5-Sterne-Häusern, straffe Hierarchien auf den Gängen und Anforderungen an Gewerkschaftsarbeit in der „Schattenwelt Hotelreinigung“.
www.igbau-hamburg.de: Frau Feory, erst im Alter von 65 Jahren haben Sie 2005 eine Stellung als „Zimmermädchen“ in einem Hotel angetreten – kurz nach ihrer Pensionierung als Mitarbeiterin einer großen Behörde. Wie kam es zu diesem Bruch?
Ana Feory: Nachdem 1996 mein Lebensgefährte verstorben war und ich 2002 nach falscher Beratung durch meine Bank sämtliche Rücklagen verloren hatte, war ich hoch verschuldet und musste hohe Raten zahlen. Solange ich gearbeitet habe, war das kein Problem, das kam dann wie ein Schlag mit meiner Verrentung. Ich hätte sehr gerne weiter in der Behörde gearbeitet, durfte das aber ja aufgrund der deutschen Gesetzgebung nicht. Auf die Hotelbranche kam ich, weil ich schon zu meiner Zeit als Flüchtling 1964 eineinhalb Jahre in einem renommierten Hotel gearbeitet hatte.
www.igbau-hamburg.de: Mit welchen Erwartungen haben Sie in den Hotels angeheuert, teilweise ja in Häusern, die Sie zuvor als Gast besucht hatten? Was haben Sie vorgefunden?
Ana Feory: Erst einmal hatte ich positive Erfahrungen wegen meiner ersten Tätigkeit 1964, außerdem hatte ich als Gast in verschiedenen Hotels wundervolle Zeiten. Mein verstorbener Lebensgefährte war sehr vermögend, wir sind zusammen viel gereist. Ich bin dann auch mit einem sehr positiven Gefühl ins erste Bewerbungsgespräch gegangen und habe dem Personalleiter meine Erwartung mitgeteilt, als „Checker“ [eine Art Mischung aus Vorarbeiter und Kontrolleur, d. Red.] eingestellt zu werden und in dieser Position auch die Beschäftigten zu unterstützen (lacht), ich war noch sehr naiv. Als ich dann als Zimmermädchen angefangen habe, war ich einerseits froh, wieder in einer Gemeinschaft mit meinen Kolleginnen zu sein, die schlechten Arbeitsbedingungen, der respektlose Ton uns gegenüber hat mich aber sehr schockiert.
www.igbau-hamburg.de: Sie sprachen eben davon, dass Sie „Checker“, bzw. „Checkerin“ werden wollten … was ist das?
Ana Feory: Die Reinigung in Hotels ist streng hierarchisch aufgebaut, es gibt täglich Dutzende Kontrollen. Ganz oben kommt die „Hausdame“, sie ist für sämtliche Zimmer zuständig und beim Hotel angestellt, neben ihr gibt es die 2. Hausdame, beide sind meist parallel anwesend und werden durch weitere kontrollierende Hotelangestellte verstärkt. Unterhalb der Hotelangestellten folgt der Vorarbeiter des Reinigungsunternehmens, sein Vertreter und dann der „Checker“, der ebenfalls Angestellter der Reinigungsfirma ist. Der Checker kontrolliert die einzelnen Zimmer und hat meist mehrere Gänge „unter“ sich.
www.igbau-hamburg.de: Frau Feory, aus nahezu jedem Hotel berichten Sie, dass die Arbeit nicht nach Stunden entlohnt wird – wie tariflich und gesetzlich vorgeschrieben – sondern auf Akkordbasis oder „Stücklohn“. Dabei ist die Entlohnung pro Zimmer stets derart niedrig, dass der allgemeinverbindliche Tariflohn realistisch kaum zu erreichen ist. Wie viel haben Sie pro Stunde verdient? Können Sie konkrete Häuser nennen? Wo wurde am besten, wo am schlechtesten bezahlt?
Ana Feory: Ich habe in meiner Stadt in 17 verschiedenen Hotels gearbeitet, vier davon waren kleinere Häuser, 13 Niederlassungen großer Hotelketten. Damals, also 2005, lag der Tariflohn bei etwa 7,70 Euro. Die „Privaten“ haben annähernd diesen Tarif gezahlt … auch mal als Stundenlohn, die Ketten eigentlich nie. Die schlimmsten Erfahrungen habe ich vor der Aufnahme der Gebäudereinigung in das Entsendegesetz 2007 gemacht. In 4- oder 5-Sterne-Hotels habe ich nur zwischen 2,40 und 3,60 Euro pro Zimmer bekommen, brauchte aber im Schnitt mehr als eine halbe Stunde für die Arbeit. Wenn die Zimmer besonders verschmutzt waren, sogar eine ganze Stunde. Ich kam also in diesen Häusern auf einen Stundenlohn von drei bis fünf Euro, auch weil es unbezahlte Nebenarbeiten und vor allem: unbezahlte Wartezeiten gab. Am schlimmsten war es in einem 5-Sterne-Hotel, wo wir gerade mal 2,60 Euro die Stunde bekamen und das Reinigungsunternehmen für diesen Preis kaum mehr Arbeitskräfte bekommen hat. Am Ende putzten die Chefs mit, zumindest hier lag es also an dem, was das Hotel für die Reinigung ausgeben wollte.
www.igbau-hamburg.de: Frau Feory, erst im Alter von 65 Jahren haben Sie 2005 eine Stellung als „Zimmermädchen“ in einem Hotel angetreten – kurz nach ihrer Pensionierung als Mitarbeiterin einer großen Behörde. Wie kam es zu diesem Bruch?
Ana Feory: Nachdem 1996 mein Lebensgefährte verstorben war und ich 2002 nach falscher Beratung durch meine Bank sämtliche Rücklagen verloren hatte, war ich hoch verschuldet und musste hohe Raten zahlen. Solange ich gearbeitet habe, war das kein Problem, das kam dann wie ein Schlag mit meiner Verrentung. Ich hätte sehr gerne weiter in der Behörde gearbeitet, durfte das aber ja aufgrund der deutschen Gesetzgebung nicht. Auf die Hotelbranche kam ich, weil ich schon zu meiner Zeit als Flüchtling 1964 eineinhalb Jahre in einem renommierten Hotel gearbeitet hatte.
www.igbau-hamburg.de: Mit welchen Erwartungen haben Sie in den Hotels angeheuert, teilweise ja in Häusern, die Sie zuvor als Gast besucht hatten? Was haben Sie vorgefunden?
Ana Feory: Erst einmal hatte ich positive Erfahrungen wegen meiner ersten Tätigkeit 1964, außerdem hatte ich als Gast in verschiedenen Hotels wundervolle Zeiten. Mein verstorbener Lebensgefährte war sehr vermögend, wir sind zusammen viel gereist. Ich bin dann auch mit einem sehr positiven Gefühl ins erste Bewerbungsgespräch gegangen und habe dem Personalleiter meine Erwartung mitgeteilt, als „Checker“ [eine Art Mischung aus Vorarbeiter und Kontrolleur, d. Red.] eingestellt zu werden und in dieser Position auch die Beschäftigten zu unterstützen (lacht), ich war noch sehr naiv. Als ich dann als Zimmermädchen angefangen habe, war ich einerseits froh, wieder in einer Gemeinschaft mit meinen Kolleginnen zu sein, die schlechten Arbeitsbedingungen, der respektlose Ton uns gegenüber hat mich aber sehr schockiert.
www.igbau-hamburg.de: Sie sprachen eben davon, dass Sie „Checker“, bzw. „Checkerin“ werden wollten … was ist das?
Ana Feory: Die Reinigung in Hotels ist streng hierarchisch aufgebaut, es gibt täglich Dutzende Kontrollen. Ganz oben kommt die „Hausdame“, sie ist für sämtliche Zimmer zuständig und beim Hotel angestellt, neben ihr gibt es die 2. Hausdame, beide sind meist parallel anwesend und werden durch weitere kontrollierende Hotelangestellte verstärkt. Unterhalb der Hotelangestellten folgt der Vorarbeiter des Reinigungsunternehmens, sein Vertreter und dann der „Checker“, der ebenfalls Angestellter der Reinigungsfirma ist. Der Checker kontrolliert die einzelnen Zimmer und hat meist mehrere Gänge „unter“ sich.
www.igbau-hamburg.de: Frau Feory, aus nahezu jedem Hotel berichten Sie, dass die Arbeit nicht nach Stunden entlohnt wird – wie tariflich und gesetzlich vorgeschrieben – sondern auf Akkordbasis oder „Stücklohn“. Dabei ist die Entlohnung pro Zimmer stets derart niedrig, dass der allgemeinverbindliche Tariflohn realistisch kaum zu erreichen ist. Wie viel haben Sie pro Stunde verdient? Können Sie konkrete Häuser nennen? Wo wurde am besten, wo am schlechtesten bezahlt?
Ana Feory: Ich habe in meiner Stadt in 17 verschiedenen Hotels gearbeitet, vier davon waren kleinere Häuser, 13 Niederlassungen großer Hotelketten. Damals, also 2005, lag der Tariflohn bei etwa 7,70 Euro. Die „Privaten“ haben annähernd diesen Tarif gezahlt … auch mal als Stundenlohn, die Ketten eigentlich nie. Die schlimmsten Erfahrungen habe ich vor der Aufnahme der Gebäudereinigung in das Entsendegesetz 2007 gemacht. In 4- oder 5-Sterne-Hotels habe ich nur zwischen 2,40 und 3,60 Euro pro Zimmer bekommen, brauchte aber im Schnitt mehr als eine halbe Stunde für die Arbeit. Wenn die Zimmer besonders verschmutzt waren, sogar eine ganze Stunde. Ich kam also in diesen Häusern auf einen Stundenlohn von drei bis fünf Euro, auch weil es unbezahlte Nebenarbeiten und vor allem: unbezahlte Wartezeiten gab. Am schlimmsten war es in einem 5-Sterne-Hotel, wo wir gerade mal 2,60 Euro die Stunde bekamen und das Reinigungsunternehmen für diesen Preis kaum mehr Arbeitskräfte bekommen hat. Am Ende putzten die Chefs mit, zumindest hier lag es also an dem, was das Hotel für die Reinigung ausgeben wollte.
www.igbau-hamburg.de: In Ihrem Buch „Deutschland, mein Herz schlägt nicht für Dich“ unterscheiden Sie zwischen Löhnen und Arbeitsbedingungen, d.h: Nicht überall, wo schlecht bezahlt wird, sind die Arbeitsbedingungen auch mies – zumindest nicht überall gleich schlecht. Von wem oder was hängt es Ihrer Meinung nach ab, wie Löhne und Arbeitsbedingungen konkret aussehen: Sind vor allem die Hotels verantwortlich, oder die beauftragten Reinigungsfirmen?
Ana Feory: In einem der Hotels habe ich sehr wenig Geld bekommen, der Umgangston war aber gut, es wurde nicht schikaniert und auch die Stimmung unter den Beschäftigten war gut. Diese Reinigungsfirma war von einem ausländischen Unternehmer geführt, der auch auf Arbeitgeberseite organisiert war. Ich denke, es liegt immer an vielen verschiedenen Einflüssen, wie Arbeitsbedingungen und Löhne sind, an den Hotels, den Reinigungsfirmen, an den handelnden Personen im Einzelfall.
www.igbau-hamburg.de: In Ihrem Buch erwähnen Sie mehrfach, dass sich die Lage 2007 durch die Aufnahme der Gebäudereinigung ins Arbeitnehmerentsendegesetz zwar grundsätzlich verbessert hat, diese Verbesserung aber insbesondere bei den Zimmermädchen kaum ankommt. Warum ist die Lage in den Hotels so bedrückend? Was unterscheidet ein Hotel Ihrer Meinung nach vom zu reinigenden Bürokomplex?
Ana Feory: Nach der Änderung des Entsendegesetzes rief uns der Chef, von dem ich eben sprach einmal zusammen, sprach kurz über das Gesetz und mahnte uns zur Verschwiegenheit, insbesondere gegenüber der Presse. Wenn Du beispielsweise auf dem Flughafen, in einem Treppenhaus oder im Büro putzt, wirst Du nicht so kontrolliert. In Hotels geht es immer um die Gäste, die Gäste, die Gäste. In Hotels muss es immer mikroskopisch sauber sein, um alle zufrieden zu stellen, angeblich gibt es Gäste, die mit dem Finger auf den Schränken nach Staub suchen. Eine „Checkerin“ kam immer in schwarzer Jeans, wischte mit dem Finger über die Ablagen und strich ihn dann an ihrer Hose ab. Waren Staub oder Fusseln zu sehen, musste das Zimmer noch einmal geputzt werden. Ich habe einmal Reinigungskräfte auf dem Flughafen beobachtet und dabei festgestellt, dass es hier zumindest etwas lockerer zuging.
www.igbau-hamburg.de: Das beschreibt den Leistungsdruck, nicht aber die schlimmen Arbeitsbedingungen … warum läuft die Ausbeutung ausgerechnet in den Hotels, wo ja deutlich mehr Öffentlichkeit ist, derart ausgeprägt und gleichzeitig derart reibungslos?
Ana Feory: Für mich ist das kein Widerspruch … Wenn man nach außen wirbt „Wir sind Hyatt, wir haben große Pools, u.s.w.“, dann kann man auf keinen Fall zulassen, dass die Gäste Wind von den schlechten Arbeitsbedingungen bekommen, die in der Reinigungsbranche herrschen. Daher sind die Zimmermädchen von jeher darauf getrimmt, nichts aus ihrer Tätigkeit nach außen dringen zu lassen. Als ich noch relativ neu in der Branche war, sprach mich mal ein Gast auf einen unangenehmen Geruch in seinem Bad an. Nachdem ich ihm zustimmte, dass es aus seinem Ausguss riecht, ging er zum Empfang und reklamierte sein Zimmer … und ich bin sofort „geflogen“, weil ich mit dem Gast gesprochen hatte.
www.igbau-hamburg.de: 2007 machte auch der Fall der Hamburger Reinigungskraft Antonia Hercher Schlagzeilen: Die junge Frau hatte über mehrere Monate in einem 5-Sterne-Hotel für real 2,46 Euro/Stunde gearbeitet. Dadurch sah sich die Hotelbranche massiver Kritik ausgesetzt. Wie ist der Fall unter den Beschäftigten diskutiert worden? Hat die öffentliche Aufmerksamkeit etwas bewegt?
Ana Feory: Der Fall war unter den Beschäftigten kein Thema, es wurde überhaupt nicht gesprochen. Viele meiner damaligen Kolleginnen sprachen kein deutsch, sie kannten ihre Rechte nicht, sie wussten nichts von der Gewerkschaft. Bewegt hat sich dadurch eigentlich auch nichts – außer, dass den Leuten gesagt wurde, sie sollen auf keinen Fall mit Journalisten reden, die damals vereinzelt durch die Hotels gingen. Anfang dieses Jahres habe ich mal ein paar Stichproben gemacht und mich auf verschiedene Annoncen gemeldet. In einem Fall sagte man mir ganz offen am Telefon, dass man 2,60 Euro die Stunde zahle. Andererseits werben inzwischen einzelne Firmen damit, dass sie Tarif zahlen …
Ana Feory: In einem der Hotels habe ich sehr wenig Geld bekommen, der Umgangston war aber gut, es wurde nicht schikaniert und auch die Stimmung unter den Beschäftigten war gut. Diese Reinigungsfirma war von einem ausländischen Unternehmer geführt, der auch auf Arbeitgeberseite organisiert war. Ich denke, es liegt immer an vielen verschiedenen Einflüssen, wie Arbeitsbedingungen und Löhne sind, an den Hotels, den Reinigungsfirmen, an den handelnden Personen im Einzelfall.
www.igbau-hamburg.de: In Ihrem Buch erwähnen Sie mehrfach, dass sich die Lage 2007 durch die Aufnahme der Gebäudereinigung ins Arbeitnehmerentsendegesetz zwar grundsätzlich verbessert hat, diese Verbesserung aber insbesondere bei den Zimmermädchen kaum ankommt. Warum ist die Lage in den Hotels so bedrückend? Was unterscheidet ein Hotel Ihrer Meinung nach vom zu reinigenden Bürokomplex?
Ana Feory: Nach der Änderung des Entsendegesetzes rief uns der Chef, von dem ich eben sprach einmal zusammen, sprach kurz über das Gesetz und mahnte uns zur Verschwiegenheit, insbesondere gegenüber der Presse. Wenn Du beispielsweise auf dem Flughafen, in einem Treppenhaus oder im Büro putzt, wirst Du nicht so kontrolliert. In Hotels geht es immer um die Gäste, die Gäste, die Gäste. In Hotels muss es immer mikroskopisch sauber sein, um alle zufrieden zu stellen, angeblich gibt es Gäste, die mit dem Finger auf den Schränken nach Staub suchen. Eine „Checkerin“ kam immer in schwarzer Jeans, wischte mit dem Finger über die Ablagen und strich ihn dann an ihrer Hose ab. Waren Staub oder Fusseln zu sehen, musste das Zimmer noch einmal geputzt werden. Ich habe einmal Reinigungskräfte auf dem Flughafen beobachtet und dabei festgestellt, dass es hier zumindest etwas lockerer zuging.
www.igbau-hamburg.de: Das beschreibt den Leistungsdruck, nicht aber die schlimmen Arbeitsbedingungen … warum läuft die Ausbeutung ausgerechnet in den Hotels, wo ja deutlich mehr Öffentlichkeit ist, derart ausgeprägt und gleichzeitig derart reibungslos?
Ana Feory: Für mich ist das kein Widerspruch … Wenn man nach außen wirbt „Wir sind Hyatt, wir haben große Pools, u.s.w.“, dann kann man auf keinen Fall zulassen, dass die Gäste Wind von den schlechten Arbeitsbedingungen bekommen, die in der Reinigungsbranche herrschen. Daher sind die Zimmermädchen von jeher darauf getrimmt, nichts aus ihrer Tätigkeit nach außen dringen zu lassen. Als ich noch relativ neu in der Branche war, sprach mich mal ein Gast auf einen unangenehmen Geruch in seinem Bad an. Nachdem ich ihm zustimmte, dass es aus seinem Ausguss riecht, ging er zum Empfang und reklamierte sein Zimmer … und ich bin sofort „geflogen“, weil ich mit dem Gast gesprochen hatte.
www.igbau-hamburg.de: 2007 machte auch der Fall der Hamburger Reinigungskraft Antonia Hercher Schlagzeilen: Die junge Frau hatte über mehrere Monate in einem 5-Sterne-Hotel für real 2,46 Euro/Stunde gearbeitet. Dadurch sah sich die Hotelbranche massiver Kritik ausgesetzt. Wie ist der Fall unter den Beschäftigten diskutiert worden? Hat die öffentliche Aufmerksamkeit etwas bewegt?
Ana Feory: Der Fall war unter den Beschäftigten kein Thema, es wurde überhaupt nicht gesprochen. Viele meiner damaligen Kolleginnen sprachen kein deutsch, sie kannten ihre Rechte nicht, sie wussten nichts von der Gewerkschaft. Bewegt hat sich dadurch eigentlich auch nichts – außer, dass den Leuten gesagt wurde, sie sollen auf keinen Fall mit Journalisten reden, die damals vereinzelt durch die Hotels gingen. Anfang dieses Jahres habe ich mal ein paar Stichproben gemacht und mich auf verschiedene Annoncen gemeldet. In einem Fall sagte man mir ganz offen am Telefon, dass man 2,60 Euro die Stunde zahle. Andererseits werben inzwischen einzelne Firmen damit, dass sie Tarif zahlen …
www.igbau-hamburg.de: Frau Feory, Sie sind Mitglied der IG BAU, aber relativ pessimistisch, was den Einfluss der Gewerkschaft auf die Hotelbranche angeht. Wer könnte denn etwas tun, was ist mit dem Zoll oder anderen Kontrollinstanzen?
Ana Feory: In meinem letzten Hoteljob, wo ich am Ende für einen Monat Arbeit 190 Euro bekommen habe, habe ich nach einer Woche das Hauptzollamt informiert, aber es hat keine Kontrolle gegeben. Zumindest nicht in den drei Wochen, in denen ich dort noch gearbeitet habe. Ich bin aber glücklich darüber, dass es die Gewerkschaft gibt, weil es unheimlich wichtig ist, etwas für die Reinigungskräfte zu tun. Aber es ist unheimlich schwer, bei den Hotels einen Fuß in die Tür zu bekommen.
www.igbau-hamburg.de: Was könnte die Gewerkschaft machen, um in einem ersten Schritt mehr Mitglieder und damit mehr Einfluss in diesem Bereich zu erlangen?
Ana Feory: Die Gewerkschaft müsste in die Hotels hineinkommen, sie müsste Licht in diese Schattenwelt bringen. Wir werden nicht wahrgenommen, die Zimmermädchen werden einfach nicht wahrgenommen, als ob es sie gar nicht gibt.
www.igbau-hamburg.de: Die IG BAU hat 2009 in der Gebäudereinigung gestreikt – und sich mit einem Organisationsgrad von deutlich unter 10% am Ende durchgesetzt. Wie haben Sie diesen Arbeitskampf wahrgenommen? Wurde darüber in den Hotels diskutiert?
Ana Feory: Zu diesem Zeitpunkt war ich schon nicht mehr in der Hotelbranche beschäftigt. Ich kann mir aber vorstellen, dass der Streik von den Zimmermädchen kaum wahrgenommen wurde, ähnlich wie die öffentliche Diskussion über „Antonia“.
www.igbau-hamburg.de: Frau Feory, wir haben schon erwähnt, dass Sie sich vor 2005 regelmäßig in Hotels bewegt haben. Glauben Sie, dass die Hotelgäste Einfluss auf die Arbeitsbedingungen der Reinigungskräfte haben? Was wünschen Sie sich von Hotelgästen?
Ana Feory: Die Öffentlichkeit müsste erfahren, unter welchen Bedingungen die Reinigungskräfte in Hotels arbeiten. Die Hotelgäste könnten einfach mal nachfragen, wie viel von ihrem Zimmerpreis denn den Reinigungskräften gezahlt wird. Wenn jeder Hotelgast solche Fragen stellt, würde sich bald etwas ändern.
www.igbau-hamburg.de: Ihr Buch trägt den Titel „Deutschland, mein Herz schlägt nicht für Dich“. Warum?
Ana Feory: Als ich 1963 mit 23 Jahren als Flüchtling nach Deutschland kam, war das Problem für mich „wie kommst Du hier zurecht?“. Ich habe mir hier dann Vieles aufgebaut und – denke ich – auch viel an die Gesellschaft zurückgegeben. Als ich aber dann im Alter in Probleme kam, hat mir niemand geholfen, da war ich ganz allein. Ich hätte nie gedacht, dass es in Deutschland derartige Ausbeutung gibt – in einem reichen Land. Davon abgesehen, habe ich vor jeder Art Nationalismus Angst: Zu beobachten, dass sich Menschen hier in ihren Jobs so viel gefallen lassen und dann während der WM mit Deutschland-Flagge durch die Straßen ziehen, befremdet mich.
www.igbau-hamburg.de: Mit dem Buch haben Sie unerwartet große öffentliche Wirkung entfaltet. Bekommen Sie auch Reaktionen aus der Branche?
Ana Feory: Nein, überhaupt nicht. Ich bin aber auch ganz froh, dass ich relativ in Ruhe gelassen werde.
www.igbau-hamburg.de: Frau Feory, haben Sie einen Rat für die Hotelbeschäftigten?
Ana Feory: Natürlich ist es für mich schwer, weil ich schon drei Jahre raus bin, aber klar: Sich zu wehren. Aber wie sollen sie das tun, wenn sie zwei, drei Kinder versorgen müssen und auf das Geld angewiesen sind. Leider gibt es bislang keinerlei Solidarität unter den Betroffenen, das müsste sich ändern. Ich bewundere Menschen, die solch unterschiedliche Gruppen zusammenführen können, ich konnte das nicht, ich konnte nur beobachten.
www.igbau-hamburg.de: Frau Feory, wir danken Ihnen für das Gespräch!
Ana Feory: In meinem letzten Hoteljob, wo ich am Ende für einen Monat Arbeit 190 Euro bekommen habe, habe ich nach einer Woche das Hauptzollamt informiert, aber es hat keine Kontrolle gegeben. Zumindest nicht in den drei Wochen, in denen ich dort noch gearbeitet habe. Ich bin aber glücklich darüber, dass es die Gewerkschaft gibt, weil es unheimlich wichtig ist, etwas für die Reinigungskräfte zu tun. Aber es ist unheimlich schwer, bei den Hotels einen Fuß in die Tür zu bekommen.
www.igbau-hamburg.de: Was könnte die Gewerkschaft machen, um in einem ersten Schritt mehr Mitglieder und damit mehr Einfluss in diesem Bereich zu erlangen?
Ana Feory: Die Gewerkschaft müsste in die Hotels hineinkommen, sie müsste Licht in diese Schattenwelt bringen. Wir werden nicht wahrgenommen, die Zimmermädchen werden einfach nicht wahrgenommen, als ob es sie gar nicht gibt.
www.igbau-hamburg.de: Die IG BAU hat 2009 in der Gebäudereinigung gestreikt – und sich mit einem Organisationsgrad von deutlich unter 10% am Ende durchgesetzt. Wie haben Sie diesen Arbeitskampf wahrgenommen? Wurde darüber in den Hotels diskutiert?
Ana Feory: Zu diesem Zeitpunkt war ich schon nicht mehr in der Hotelbranche beschäftigt. Ich kann mir aber vorstellen, dass der Streik von den Zimmermädchen kaum wahrgenommen wurde, ähnlich wie die öffentliche Diskussion über „Antonia“.
www.igbau-hamburg.de: Frau Feory, wir haben schon erwähnt, dass Sie sich vor 2005 regelmäßig in Hotels bewegt haben. Glauben Sie, dass die Hotelgäste Einfluss auf die Arbeitsbedingungen der Reinigungskräfte haben? Was wünschen Sie sich von Hotelgästen?
Ana Feory: Die Öffentlichkeit müsste erfahren, unter welchen Bedingungen die Reinigungskräfte in Hotels arbeiten. Die Hotelgäste könnten einfach mal nachfragen, wie viel von ihrem Zimmerpreis denn den Reinigungskräften gezahlt wird. Wenn jeder Hotelgast solche Fragen stellt, würde sich bald etwas ändern.
www.igbau-hamburg.de: Ihr Buch trägt den Titel „Deutschland, mein Herz schlägt nicht für Dich“. Warum?
Ana Feory: Als ich 1963 mit 23 Jahren als Flüchtling nach Deutschland kam, war das Problem für mich „wie kommst Du hier zurecht?“. Ich habe mir hier dann Vieles aufgebaut und – denke ich – auch viel an die Gesellschaft zurückgegeben. Als ich aber dann im Alter in Probleme kam, hat mir niemand geholfen, da war ich ganz allein. Ich hätte nie gedacht, dass es in Deutschland derartige Ausbeutung gibt – in einem reichen Land. Davon abgesehen, habe ich vor jeder Art Nationalismus Angst: Zu beobachten, dass sich Menschen hier in ihren Jobs so viel gefallen lassen und dann während der WM mit Deutschland-Flagge durch die Straßen ziehen, befremdet mich.
www.igbau-hamburg.de: Mit dem Buch haben Sie unerwartet große öffentliche Wirkung entfaltet. Bekommen Sie auch Reaktionen aus der Branche?
Ana Feory: Nein, überhaupt nicht. Ich bin aber auch ganz froh, dass ich relativ in Ruhe gelassen werde.
www.igbau-hamburg.de: Frau Feory, haben Sie einen Rat für die Hotelbeschäftigten?
Ana Feory: Natürlich ist es für mich schwer, weil ich schon drei Jahre raus bin, aber klar: Sich zu wehren. Aber wie sollen sie das tun, wenn sie zwei, drei Kinder versorgen müssen und auf das Geld angewiesen sind. Leider gibt es bislang keinerlei Solidarität unter den Betroffenen, das müsste sich ändern. Ich bewundere Menschen, die solch unterschiedliche Gruppen zusammenführen können, ich konnte das nicht, ich konnte nur beobachten.
www.igbau-hamburg.de: Frau Feory, wir danken Ihnen für das Gespräch!
Das Buch "Deutschland, mein Herz schlägt nicht für Dich" ist 2011 bei Literareon erschienen und kostet 15,90 Euro.