Matthias Maurer spricht zu den TeilnehmerInnen des Frühschoppens. Neben der dramatischen Lage bei Hochtief warf er auch einen Blick auf die oft von den Verträgen abweichende "Tarifrealität" und beklagte, dass viele ältere Kollegen am Ende ihres Arbeitslebens in die "Hartz-Falle" abrutschen (Foto: IG BAU).
26.09.2014
Archivmeldungen 2014
Ein paar Besucher mehr hätten´s sein dürfen, ansonsten waren sich die Anwesenden einig: Der gemeinsame Frühschoppen verschiedener Ortsverbände hat Lust auf mehr gemacht. Insbesondere das, was "Jobcenter-Rebellin" Inge Hannemann aus dem Inneren der Hartz-Gesetze zu berichten hatte, zog die TeilnehmerInnen in seinen Bann.
Es war wohl vor allem ein Beispiel, dass verstehen half, was in Deutschlands Jobcentern falsch läuft. Weil sich die großen deutschen Zeitarbeitsfirmen durch die Zahl der über sie angebotenen Stellen in die Daten des Jobcenters "einkaufen" können, halten Adecco, Randstad & Co Hunderte, vielleicht sogar Tausende offene Stellen vor, die es gar nicht gibt. In einem beispielhaft geschilderten Fall nun hat sich ein eher hoch qualifizierter Arbeitsloser initiativ auf eine solche Stelle beworben und erfuhr erst im Büro des Verleihers, dass der Job gar nicht existiert. Einmal im Gespräch, bot ihm die Sachbearbeiterin aber nun eine Stelle mit deutlich niedrigeren Anforderungen (und entsprechend geringerer Entlohnung) an, die der Mann natürlich ablehnte. Was folgte, war eine Sanktion - wegen fehlender Kooperation.
 
Screenshot von der Rede Inge Hannemanns vor dem Petitionsausschuss des Bundestages.

Am 17. März 2014 spracbh Inge Hannemann vor dem Petitionsausschuss des Bundestages zum Frage der Abschaffung von Sanktionen bei Hartz IV und Grundsicherung (Foto: Screenshot der Live-Übertragung).

Von solchen und ähnlichen Absurditäten berichtete Hannemann während des IG BAU-Frühschoppens im "Centro Sociale", einem alternativen Veranstaltungszentrum gegenüber dem Bahnhof Feldstraße. Dabei stellte sie Eines immer wieder heraus: In den Jobcentern geht es nicht um den Menschen, nicht um die Not der Arbeitslosen. Es geht um Zahlen, um Quoten - darum, die Betroffenen schnell aus der Statistik zu bekommen. Da wird die Vermittlung in eine befristete Leiarbeitsstelle genau so hoch gewertet, wie die in ein unbefristetes Normalarbeitsverhältnis. Da werden in Hamburg Tausende Arbeitslose über 50 aus der Arbeitslosenstatistik genommen, weil sie nicht arbeitslos, sondern "arbeitssuchend" seien.
Da kann ein einzelner Arbeitsloser pro Jahr bis zu zwölf Mal als "vermittelt" gezählt werden, nur weil man ihn immer wieder in windige Beschäftigungsverhältnisse gepresst hat.

Neben Hannemann sprachen auch Hamburgs IG BAU-Vorsitzender Matthias Maurer, Klaus Bernard vom Ortsverband Hamburg-Nordwest und Harry Gosch (jungeBAU) zu den Anwesenden. Während Maurer unter anderem die Schere zwischen Tarifabschlüssen und "Tarifrealität" ins Blickfeld rückte, konzentrierte Gosch sich auf die besonderen Probleme jugendlicher Arbeitnehmer und den oft äußerst ruppigen Umgang, den Arbeitgeber mit ihnen pflegen. Im Anschluss wurde bei belegten Brötchen, Kaltgetränken und Musik noch eine ganze Weile diskutiert, bis dieser erste Frühschoppen der Orsverbände zu Ende ging.

Olaf Harning