Peter Tschentscher auf dem Neujahrsempfang der IG BAU Hamburg (Foto: Harning).
20.01.2020
Archivmeldungen 2020
Spinnefeind waren sich SPD und IG BAU ja ohnehin selten - zumindest bis zur AGENDA 2010 und Kanzler Gerhard Schröder. So viel gekuschelt aber wurde auch nicht oft: Mit herzlichem Applaus und einem kräftigen Vertrauensvorschuss bedachten die rund 80 Gäste des Neujahrsempfangs der Gewerkschaft Hamburgs Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher und sein Bekenntnis zu Wohnungsbau und Tarifbindung.
Vor allem diese beiden Themen hatte zuvor auch Hamburgs IG BAU-Vorsitzender Matthias Maurer in den Ring geworfen - und mit Blick auf die Bürgerschaftswahl am 23. Februar klargestellt, was seine Gewerkschaft denn so vom nächsten Senat erwartet: mehr bezahlbaren Wohnraum und eine beinharte Tariftreueklausel im Hamburger Vergabegesetz, die Dumpinglohnfirmen bei öffentlichen Aufträgen außen vor lässt (hier auch eine Pressemitteilung des Hamburger DGB zum Thema).
 

Matthias Maurer: "... dann sprechen wir aber auch über die Menschen, die das bauen - und das sind wir!" (Foto: Harning).

Dabei stellte Maurer klar, dass für ihn beide Themen zusammengehören: "Wenn wir über den Wohnungsbau sprechen", sagte er an Tschentscher gerichtet, "dann sprechen wir aber auch über die Menschen, die all das bauen, die die Wohnungen betreuen, Gartenanlagen pflegen, Wohnungen reinigen." Und diese Menschen könnten es sich häufig nicht mehr leisten, in Hamburg zu wohnen. Einerseits wegen hoher Mietpreise - aber auch, so Maurer, "weil immer mehr Menschen in Unternehmen arbeiten, die keinen Tariflohn zahlen."
Daher brauche Hamburg dringend ein neues Vergabegesetz mit Tariftreueklausel, damit zumindest öffentliche Aufträge nur noch an Unternehmen gehen, die die repräsentativen Tarifverträge ihrer Branche einhalten. "Gute und faire Arbeit ist nicht Mindestlohn", rief Maurer unter lautstarkem Applaus, "gute und faire Arbeit ist Tariflohn".
 

Bei fairer Arbeit einer Meinung (v.l.): Matthias Maurer, Peter Tschentscher, André Grundmann.

Nicht nur beim Thema Wohnungsbau erwies sich der Erste Bürgermeister als "gewerkschaftskompatibel" ...

... und sorgte bei den Gästen im Bürgerhaus für erhöhte Aufmerksamkeit (alle Fotos: Harning).

 
Diesen Ball nahm Peter Tschentscher gerne auf: "Wenn jemand sein Leben lang Vollzeit arbeitet, muss es ihm doch möglich sein, dann nicht noch zum Amt zu gehen und zu sagen: ich bitte um finanzielle Unterstützung!" Deshalb habe der Senat mittlerweile dafür gesorgt, dass kein Beschäftigter der Stadt weniger als 12 Euro die Stunde verdient. Und mit Blick auf die Tariftreueklausel: "Ich finde es O.K., wenn wir im öffentlichen Sektor nicht nur als Stadt selber, sondern auch als Auftraggeberin Vorbild sind und von unseren Auftragnehmern erwarten, dass sie möglichst Tarif zahlen." Schon vor einigen Jahren habe er als Finanzsenator - in Abstimmung mit den Hamburger Gewerkschaften - ein modernisiertes Vergabegesetz auf den Weg gebracht, das sich in punkto Tariftreue allerdings am umstrittenen "Nein" des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) orientieren musste. Genau diese Rechtsprechung habe sich nun aber geändert. Tschentscher: "Jetzt, da es eine neue Lage gibt, bin ich gerne bereit, das Vergabegesetz noch einmal zu überarbeiten und das, was rechtlich geht, auch reinzuschreiben".

Auch zum Thema Wohnungsbau hatte der Erste Bürgermeister frohe Kunde: "Als wir 2011 gesagt haben, wir wollen 6.000 Wohnungen pro Jahr bauen - da haben ganz viele gemeint: das schaffen die eh nicht. Ich weiß nicht, ob die Zahl schon veröffentlicht ist, aber im vergangenen Jahr haben wir 12.700 Baugenehmigungen erteilt." Inzwischen zeige die Wohnungsbauoffensive Hamburgs auch am Markt Wirkung: "Die Mieten steigen nicht mehr um drei oder vier Prozent", so Tschentscher, "auch nicht um 6 Prozent wie in Berlin, sondern sie steigen in Hamburg nur noch um 1,3 Prozent im Jahr."

Eine knappe halbe Stunde sprach Peter Tschentscher zu den Betriebsräten, Orts-, Fach- und Betriebsgruppenvorständen und warb für die Politik seines Senats - bevor er sich im Wilhelmsburger Bürgerhaus schließlich "unters Volk" mischte und sich an den Tischen die Branchen und Berufsgruppen der KollegInnen erläutern ließ.

Olaf Harning