Der niegelnagelneue Vorstand der IG BAU Hamburg. Vorne von links: Rita Umweni-Häckel, Bedra Duric, JungeBau-Vertreter Christoph Ohl. Hinten von links: Bezirksvorsitzender Matthias Maurer, Olaf Bannas, Matthias Steinhäuser, Uwe Nack, Achim Bartels, Sebastian Lehmann und als Gast Bundesvorstand Carsten Burckhardt. Kerstin Horwege und Martin Noack fehlen auf dem Bild (Foto: Harning).
03.04.2017
Archivmeldungen 2017
Es wurde gekuschelt, beraten und am Ende auch gerungen: Unter den Augen von Bundesvorstand Carsten Burckhardt hat sich die IG BAU Hamburg auf ihrem Bezirksverbandstag in Wilhelmsburg einen neuen alten Vorstand gewählt und sich auf den Gewerkschaftstag im Herbst vorbereitet. Bei den Wahlgängen und der Verabschiedung langjähriger Funktionsträger stand dabei Harmonie im Vordergrund - die Anträge hingegen wurden auch kontrovers diskutiert.
Während Bürgermeister Olaf Scholz bei der parallel tagenden IG BCE im Nebensaal sprach, wurden die knapp 50 Delegierten der IG BAU zunächst vor den Folgen der Automatisierung gewarnt: "Steht der Maurer demnächst auf der Baustelle und druckt nur noch Module mit dem 3D-Drucker aus?", fragte Hamburgs DGB-Vorsitzende Katja Karger in ihrem Grußwort. "Wir wären nicht der DGB, wenn wir vor Veränderungsprozessen Angst hätten", so Karger weiter, "aber wir müssen dafür sorgen, dass die drei wesentlichen Aspekte dabei gewahrt bleiben: Mitbestimmung, Weiterbildung und soziale Absicherung".
 
Matthias Maurer, seit 2009 Vorsitzender des Bezirksverbands Hamburg, hatte zunächst düstere Nachrichten: Fast genau 1.000 Mitglieder hat die IG BAU in der Hansestadt seit 2013 verloren, wieder ein Minus von mehr als zehn Prozent. "Wir hatten mindestens den Bestandserhalt als Ziel - das haben wir nicht erreicht", fasst der Hochtief-Betriebsrat zusammen.
Auf der anderen Seite gebe es nach fast 15 Jahren "Bau-Depression" eine Art Kehrtwende bei den jüngeren Jahrgängen: Die 20- bis 30jährigen bildeten in der Mitgliederstatistik bereits eine Art "Beule", während die IG BAU bei den 30- bis 45jährigen nur schwach vertreten sei. Dass es mit der Branche derzeit aufwärts geht, lasse sich alleine schon an der Rechtschutzstatistik ablesen: Die nämlich verzeichnet deutlich weniger Streitfälle und bestätigt die Beobachtung der IG BAU, nach der die Arbeitgeber wieder besser und verlässlicher zahlen - weil sie sonst nicht ausreichend Fachkräfte binden.
 

Hamburgs DGB-Vorsitzende Katja Karger warb für Wachsamkeit bei der Automatisierung. Die mache auch vor Handwerksberufen nicht Halt.

Warnte die Arbeitgeber vor einer Eskalation beim Branchenmindestlohn des Bauhauptgewerbes: IG BAU-Bundesvorstand Carsten Burckhardt.

Mehr Beitragseinnahmen, Mitgliederboom beim kriselnden Baukonzern Hochtief: André Grundmann lieferte den Delegierten einen Positiv-Trend.

 

Das war nicht immer so: Nur wenige Stühle blieben beim diesjährigen Bezirksverbands- tag leer. Am Ende zählte die Mandatsprüfungskommission 5 "Unentschuldigte".

Kurzweilig, unterhaltsam, humorvoll: Als launiger Versammlungsleiter kitzelte Hamburgs IG BAU-Vize Uwe Nack selbst aus der trockensten Materie noch einen Lacher.

Ob Mandatsprüfung oder Gremienwahl: Rechtssekretärin Anna Seiwert-Skurewicz sorgte hinter den Kulissen für "Recht und Ordnung".

 
Sowohl Maurer, als auch der eigens aus Dortmund angereiste Bundesvorstand Carsten Burckhardt betonten in ihren politischen Stellungnahmen den Widerstand gegen Rechtspopulismus und Rassismus: "Wählt nicht die AfD, wählt nicht die NPD", rief Burckhardt den Delegierten zu, "wir Gewerkschafter stehen für Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit!" Tarifpolitisch stimmte er die Mitglieder auf Kampfmaßnahmen ein - etwa weil die Arbeitgeber derzeit jedes Gespräch über eine Erhöhung der Branchenmindestlöhne ablehnen. "Wir müssen uns nicht bücken vor den Herren Arbeitgebern", so Burckhardt, "das hat eine stolze Organisation wie die IG BAU nicht nötig." Außerdem plädierte der gelernte Elektriker für eine Bürgerversicherung und die Finanztransaktionssteuer, um gesellschaftliche Lasten gerechter zu verteilen.

Beängstigend harmonisch verlief anschließend die Neuwahl des Bezirksvorstands, bei der allenfalls ein nicht in die Anwesenheitsliste eingetragener Delegierter für erhöhten Pulsschlag bei der Wahlkommission sorgte. Sobald das geklärt war, erhielten sowohl Bezirkschef Matthias Maurer, als auch sein Stellvertreter Uwe Nack je 48 von 49 Stimmen und auch die weiteren Mitglieder des Bezirksvorstands wurden mit großer Mehrheit im Amt bestätigt (alle Ergebnisse hier). Kandidaturen gegen den Vorschlag des Bezirksvorstands gab es nicht und auch bei der Wahl der Delegierten zum Gewerkschaftstag blieben Überraschungen aus.
 

Konzentriert verfolgten die Delegierten die Redebeiträge ...

stimmten über Anträge ab ...

und gaben sich einen neuen Bezirksvorstand.

 
Dass es am Ende der gut siebenstündigen Beratungen dann doch noch einmal kontrovers zuging, lag an zwei Anfragen des Ortsverbands Hamburg-Nord/Nordwest, bzw. an einer offenen Wunde des Bezirksverbands - der unklaren Zukunft der Ortsverbände. Zwar hatte der OV Hamburg-Mitte in einem einstimmig angenommenen Antrag gleich zu Anfang der Antragsberatung erreicht, dass die Ortsverbände künftig davon entbunden werden, immer größere Flächen und Stadtteile abdecken zu müssen - sie dürfen sich ab sofort auf "ihren" Stadtteil beschränken, auch wenn dadurch auf dem Stadtplan "weiße Flächen" entstehen.

Das grundsätzliche Problem aber blieb damit ungelöst: Wie soll der Bezirksverband mit der seit Jahren kriselnden Ortsverbandsebene verfahren, die in der Fläche praktisch nicht mehr präsent ist, aber in der Satzung der IG BAU weiterhin eine zentrale Rolle spielt? Der OV Hamburg-Nord/Nordwest, inzwischen selber nur noch auf dem Papier vorhanden, wollte das Thema in zwei etwas sperrig formulierten Anträgen dem Bezirksvorstand zur Lösung vorlegen, wurde dabei aber zunächst von der Antragsberatungskommission gebremst. Die empfahl bei beiden Anträgen "Ablehnung", wurde dann aber vom Bezirksverbandstag überstimmt: Nach einer Stellungnahme des Bezirksvorsitzenden selbst stimmten jeweils fast zwei Drittel der Delegierten gegen die Empfehlung und anschließend für die Uranträge.
 

Widerspruch kam nur von Bezirkschef Maurer: Eine klare Mehrheit folgte seinen Appellen.

Widerspruch ernteten auch Vorstöße der Fachgruppe Bauhauptgewerbe, die zukünftig unterbinden wollte, dass Mitglieder auch rückwirkend aufgenommen werden und sofort satzungsgemäße Leistungen der Gewerkschaft in Anspruch nehmen können. Das, so wiederum Maurer, würde nicht nur die Kampfbereitschaft der IG BAU gefährden, sondern auch ihre Handlungsfähigkeit bei innerbetrieblichen Konflikten. Auch hier folgte der Verbandstag Maurer und lehnte beide Anträge ab.
Bleibt festzuhalten, dass die IG BAU im Frühjahr 2017 vor allem auf Bewährtes setzt - und in "Kuschel-Stimmung" ist: So waren die zahlreichen Verabschiedungen langjähriger Funktionsträger emotionaler Höhepunkt der Veranstaltung, ansonsten hatten die Delegierten wenig Redebedarf und selbst bei den kontroversen Themen war es vor allem der Bezirksvorsitzende, der Akzente setzte. Andererseits könnten sich Matthias Maurer und sein Team über hohe Zustimmungswerte freuen, steuern die IG BAU Hamburg selbst in schwierigen Zeiten mit ruhiger Hand und auch der Bezirksverbandstag selbst sorgte für eine positive Tendenz: Im Gegensatz zu den Veranstaltungen 2013 und 2009 waren fast alle Stühle besetzt, nur vereinzelt hatten Delegierte ihre Teilnahme abgesagt.

Olaf Harning
 

Geehrt wurde unter anderem Helga Spiller - für ihre jahrzehntelange, ehrenamtliche Tätigkeit für die IG BAU.

Auch vor Elke Kloppenburg verneigte sich der Bezirksverbandstag: Sie organisiert schon seit Ende der 70er Jahre Reinigungskräfte in Hamburg, war bis zu ihrer Rente Betriebsratsvorsitzende bei Bogdol.

Und für seine Bemühungen um den Ortsverband Lauenburg erhielt Gert Schwiertzke gleich doppelten Dank der IG BAU: Ein Fläschchen Wein und einen 500-Euro-Gutschein für das Gemeinnützige Erholungswerk (alle Fotos: Harning).