19.10.2017
Rechtsprechung
Auch bei einem bestehenden Verbot von Privatkommunikation während der Arbeitszeit dürfen Arbeitgeber nicht unangekündigt und ohne gewichtigen Grund die Kommunikation ihrer Beschäftigten überwachen. Das hat jetzt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in einem Fall aus Rumänien entschieden.
In der Europäischen Menschenrechtskonvention heißt es nämlich in Artikel 8, dass jede Person das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz habe.

Im Ausgangsfall EGMR (Pressemitteilung vom 6. September 2017) war ein Arbeitnehmer aus Bukarest von seinem Arbeitgeber gekündigt worden, weil er auf seinem dienstlichen PC einen Yahoo-Massenger-Account installiert und darüber private Nachrichten verschickt hatte - obwohl dies vom Arbeitgeber untersagt worden war. So hatte der Angestellte in einer einzigen Woche Mails im Umfang von etwa 45 Druckseiten verschickt. Vor den Gerichten in Rumänien hatte der Arbeitnehmer keinen Erfolg mit seiner Kündigungsschutzklage. Auch seine Beschwerde beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg blieb zunächst erfolglos - mit dem Argument, dass die Kontrolle des Datenverkehrs durch den Arbeitgeber gerechtfertigt gewesen sei.

Diese Entscheidung ist aber nun durch die Große Kammer des EGMR im Beschwerdeverfahren gekippt worden. Der Gerichtshof stellte fest, dass die Überwachung des Arbeitnehmers gegen das Recht auf Achtung des Privatlebens verstoßen habe. Dieses Recht sei auch in der rumänischen Verfassung und im rumänischen Strafgesetzbuch verankert. Zwar sei der Arbeitgeber grundsätzlich berechtigt zu kontrollieren, wie die Beschäftigten ihre Aufgaben erfüllen. Diese Überwachung muss aber verhältnismäßig sein.

Das setze insbesondere voraus, dass der Arbeitgeber den Beschäftigten vorab über die Möglichkeit zur Überwachung sowie über Art und Umfang der Maßnahmen informiert. Außerdem sei zu klären, ob der Arbeitgeber einen legitimen Grund für die Kontrollmaßnahmen hatte und ob mildere Mittel zur Kontrolle zur Verfügung gestanden hätten, um einen etwaigen Verstoß gegen das Verbot der Privatkommunikation festzustellen.

Da dieses nicht geprüft worden sei, hat die Große Kammer des EGMR nun mit einer Mehrheit von 6:1 Richterstimmen festgestellt, dass die rumänischen Gerichte das Recht des Arbeitnehmers auf Privatsphäre nicht ausreichend geschützt haben und dass dem Kläger demgemäß ein Schadensersatzanspruch gegen den rumänischen Staat zusteht.

Ein interessantes Urteil, das sicher auch von deutschen Gerichten zu beachten sein wird.

Dieser Text wurde uns freundlicherweise von Klaus Müller-Knapp, Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei Müller-Knapp, Hjort, Wulfzur Verfügung gestellt.